
Katzenschutzverordnung für den Landkreis Aichach-Friedberg
Ein langer Weg mit einem wichtigen Ziel
Nach vielen Monaten intensiver Vorbereitung, zahllosen Gesprächen und der Zusammenarbeit mehrerer Tierschutzvereine ist es gelungen: Am 15. April 2025 wurde vom Landratsamt Aichach-Friedberg offiziell eine Katzenschutzverordnung (KSV) erlassen.
Für uns bei ATTiS e. V. ist das ein großer Erfolg – und ein entscheidender Schritt für den praktischen Tierschutz auf kommunaler Ebene. Besonders bedanken möchten wir uns bei Christine Hafner vom Bund der Katzenfreunde e. V., die diesen Prozess mit enormem Einsatz begleitet hat.
Warum überhaupt eine Katzenschutzverordnung?
Zwischen 2006 und 2023 hat ATTiS allein in den Landkreisen Augsburg, Aichach-Friedberg, Dillingen, Neuburg-Schrobenhausen und weiteren Regionen über 8.100 Katzen kastriert.
Fast alle dieser freilebenden, oft scheuen oder bereits verwilderten Katzen stammen ursprünglich von unkastrierten Hauskatzen ab, deren Nachkommen sich unkontrolliert weitervermehrt haben.
Solange Hauskatzen nicht kastriert werden, lässt sich die ungewollte Vermehrung freilebender Tiere nicht dauerhaft eindämmen – selbst bei intensiven Kastrationsaktionen. Deshalb hat der Bundesgesetzgeber mit §13b Tierschutzgesetz die Möglichkeit geschaffen, Katzenschutzverordnungen zu erlassen.
Zahlen, Fakten und viel ehrenamtliche Arbeit
ATTiS stellte den Antrag auf Erlass einer Katzenschutzverordnung im März 2023.
Es folgte eine intensive Arbeitsphase:
Datensammlung durch alle Tierschutzvereine im Landkreis (April–November 2023)
Erfassung der Kastrationen (Ort, Zeit, Geschlecht der Tiere)
Dokumentation häufiger Krankheiten (z. B. Katzenschnupfen, Parasitenbefall)
Übergabe der Daten an das Landratsamt im Oktober 2023
Im November 2023 präsentierten wir die Lage im Landkreis im Rahmen einer Bürgermeisterrunde. Danach war Geduld gefragt: Das Veterinäramt prüfte die rechtlichen Voraussetzungen, definierte Schutzgebiete und schrieb die betroffenen Gemeinden an.
Einsatz für mehr als Mindeststandards
Parallel zur Arbeit der Behörde war ATTiS weiter aktiv:
Kontaktaufnahme zu Gemeinderäten, Fraktionen und Bürgermeistern
Infomaterial und Präsentationen zur Aufklärung
Gespräche mit Verwaltungen und Einzelpersonen
Erfolg in mehreren Gemeinden:
Aichach, Dasing und Sielenbach stimmten zu – und gingen dabei sogar über die Vorschläge des Veterinäramts hinaus.
Affing und Aindling lehnten ab – eine Präsentation unsererseits wurde dort leider nicht ermöglicht.
Aktualisierte Daten – und endlich Erfolg
Da die ursprünglichen Zahlen (bis 2023) bei der Entscheidung bereits überholt waren, begann ATTiS Anfang 2024 erneut mit der Datenerhebung. Diese wurden im April 2025 übermittelt.
Am 15. April 2025 wurde die Katzenschutzverordnung schließlich erlassen.
Was regelt eine Katzenschutzverordnung konkret?
Verpflichtende Kennzeichnung und Registrierung freilaufender Katzen
Kastrationspflicht für fortpflanzungsfähige Katzen mit Freigang
Kontrolle und Maßnahmen durch das Landratsamt oder Beauftragte
Delegation der Umsetzung an Tierschutzvereine bei Problemfällen
Wichtig: Es wird nicht jede Katze „eingefangen“ – es geht um bekannte Hotspots und gemeldete Fälle. Die Verordnung zielt auf Vorsorge, nicht Kontrolle.
Der Blick ins Ausland – was möglich ist
Andere Länder sind bereits weiter:
Österreich: seit 2005 landesweite Kastrationspflicht
Belgien: seit 2018 flächendeckend geregelt
Diese Beispiele zeigen: Katzenschutz ist machbar – wenn Behörden, Politik und Tierschutz Hand in Hand arbeiten. Der Landkreis Aichach-Friedberg hat nun einen ersten, wichtigen Schritt getan. Wir hoffen, dass viele weitere folgen.
Amtlicher Teil – Verordnungstext
Im Folgenden ist der vollständige Wortlaut der Katzenschutzverordnung des Landkreises Aichach-Friedberg wiedergegeben.
Es handelt sich um den offiziellen Text, wie er am 15. April 2025 im Amtsblatt veröffentlicht wurde. Der Inhalt ist aus rechtlichen Gründen unverändert übernommen:
Katzenschutzverordnung für den Landkreis Aichach-Friedberg
Verordnung des Landratsamts Aichach-Friedberg zum Schutz freilebender Katzen (Katzenschutzverordnung – KatzenschutzVO)
vom 15.04.2025
Auf Grund von § 13b des Tierschutzgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 18. Mai 2006 (BGBl. I S. 1206, 1313), zuletzt geändert durch Art. 2 Abs. 20g zur Modernisierung des Verkündungs- und Bekanntmachungswesens vom 20.12.2022 (BGBl. I S. 2752), in Verbindung mit § 11 Nr. 3 der Verordnung über die Zuständigkeit zum Erlass von Rechtsverordnungen (Delegationsverordnung – DelV) vom 28. Januar 2014 (GVBl. S. 22, BayRS 103-2-V), zuletzt geändert durch Verordnung vom 21. März 2023 (GVBl. S. 104), wird verordnet:
§ 1 – Regelungszweck, Geltungsbereich
(1) Diese Verordnung dient dem Schutz freilebender Katzen vor erheblichen Schmerzen, Leiden oder Schäden, die auf eine hohe Anzahl dieser Katzen innerhalb des Geltungsbereichs der Verordnung zurückzuführen sind.
(2) Diese Verordnung gilt für die in Anhang 1 genannten Schutzgebiete.
§ 2 – Begriffsbestimmungen
Im Sinne dieser Verordnung ist
„Katze“ ein männliches oder weibliches Tier der Art Hauskatze (Felis silvestris catus),
„Katzenhalter“ eine natürliche oder juristische Person, welche eine Katze hält,
„freilebende Katze“ eine Katze, die nicht oder nicht mehr von einem Menschen gehalten wird,
„freilaufende Katze“ eine gehaltene Katze, die unkontrolliert freien Auslauf haben kann,
„fortpflanzungsfähige Katze“ eine Katze, die fünf Monate oder älter ist und weder chirurgisch noch medikamentös unfruchtbar gemacht worden ist,
„unkontrollierter freier Auslauf“ die freie Bewegungsmöglichkeit einer Katze außerhalb der Einwirkungsmöglichkeit des Katzenhalters oder einer von ihm beauftragten oder für ihn handelnden Person.
§ 3 – Maßnahmen in Bezug auf freilebende Katzen
Das Landratsamt Aichach-Friedberg oder ein von ihm Beauftragter kann freilebende Katzen innerhalb des Schutzgebietes in Obhut nehmen, kennzeichnen, registrieren und fortpflanzungsunfähig machen lassen.
§ 4 – Kennzeichnungs- und Registrierungspflicht
(1) Wer im Schutzgebiet eine freilaufende Katze hält, hat diese mittels Mikrochip oder Ohrtätowierung eindeutig und dauerhaft kennzeichnen zu lassen sowie zu registrieren.
(2) Die Registrierung erfolgt, indem neben den Daten des Mikrochips oder der Ohrtätowierung Name und Anschrift der Katzenhalterin oder des Katzenhalters in das kostenfreie Haustierregister von Tasso e.V. oder in das kostenfreie Haustierregister des Deutschen Tierschutzbundes (FINDEFIX) eingetragen werden. Der Katzenhalter hat dabei seine Erlaubnis zu erteilen, dass das jeweilige Haustierregister Behörden die zur eindeutigen Identifikation des Halters erforderlichen Daten übermitteln darf.
(3) Ein von dem Katzenhalter personenverschiedener Eigentümer hat die Maßnahmen nach Absatz 1 und 2 zu dulden.
§ 5 – Verbot des unkontrollierten freien Auslaufs
(1) Wer im Schutzgebiet eine fortpflanzungsfähige Katze hält, darf dieser keinen unkontrollierten freien Auslauf gewähren.
(2) Von dem Verbot des Absatzes 1 kann das Landratsamt Aichach-Friedberg auf Antrag des Katzenhalters in Fällen besonderer Härte Ausnahmen genehmigen.
§ 6 – Maßnahmen in Bezug auf freilaufende Katzen
(1) Das Landratsamt Aichach-Friedberg oder ein von ihm Beauftragter überwacht die Einhaltung der §§ 4 und 5 dieser Verordnung. Hierzu dürfen freilaufende Katzen innerhalb des Schutzgebietes zum Zweck der Ermittlung des Halters aufgegriffen und vorübergehend in Obhut genommen werden. Zur Ermittlung des Halters ist eine Abfrage bei den in § 4 Absatz 2 genannten Registern zulässig.
(2) Dem Landratsamt Aichach-Friedberg oder einem von ihm Beauftragten ist auf Verlangen ein Nachweis über die durchgeführte Registrierung sowie die Fortpflanzungsunfähigkeit vorzulegen.
(3) Das Landratsamt trifft gemäß § 16a Abs. 1 S. 1 TierSchG die zur Beseitigung festgestellter Verstöße und die zur Verhütung künftiger Verstöße notwendigen Anordnungen.
(4) Ein von dem Katzenhalter personenverschiedener Eigentümer hat die Maßnahmen nach Absatz 1 bis 3 zu dulden.
§ 7 – Überprüfung
Diese Verordnung wird drei Jahre nach deren Inkrafttreten daraufhin überprüft, ob sie zur Erreichung der mit ihr angestrebten Ziele beiträgt oder ob eine Änderung oder Aufhebung erforderlich ist.
§ 8 – Inkrafttreten
Die Verordnung tritt sechs Monate nach ihrer Veröffentlichung in Kraft.
Aichach, 15.04.2025
gez. Peter, Regierungsdirektor
Anhang 1: Schutzgebiete
Gemeinde | Gemarkung |
---|---|
Aichach | gesamtes Gemeindegebiet |
Dasing | gesamtes Gemeindegebiet |
Sielenbach | gesamtes Gemeindegebiet |
Begründung zur Katzenschutzverordnung
Landkreis Aichach-Friedberg, Amtsblatt vom 15.04.2025, Nr. 04a
I. Allgemeines
1. Problematik
In vielen Gebieten führt eine unkontrollierte Vermehrung freilebender Katzen zu erheblichen tierschutzrechtlichen und gesundheitlichen Problemen.
Streunende Katzen sind häufig unterernährt, leiden an unbehandelten Krankheiten und Verletzungen und sind einer hohen Sterblichkeitsrate ausgesetzt.
Durch Konkurrenz um Nahrung und Lebensraum kommt es zudem zu aggressivem Verhalten, was weitere Verletzungen und Leiden verursacht.
Ein wesentliches Problem ist die unkontrollierte Fortpflanzung:
Viele freilebende Katzen stammen ursprünglich von unkastrierten Hauskatzen ab, die Freigang haben und sich mit wildlebenden Artgenossen paaren. Ohne gezielte Maßnahmen wächst die Population exponentiell – und damit auch das Tierleid.
2. Lösung – Verordnungsermächtigung
§ 13b des Tierschutzgesetzes erlaubt es den Landesregierungen, unter bestimmten Voraussetzungen
den unkontrollierten freien Auslauf fortpflanzungsfähiger Katzen in festgelegten Gebieten zu verbieten oder zu beschränken,
sowie die Kennzeichnung und Registrierung von Katzen mit Freigang vorzuschreiben.
Diese Ermächtigung wurde per Delegationsverordnung an die Kreisverwaltungsbehörden übertragen.
Nur diese verfügen über das nötige örtliche Wissen, um geeignete Maßnahmen gezielt und verhältnismäßig anzuordnen.
3. Situation im Landkreis Aichach-Friedberg
Daten des Tierschutzvereins ATTiS e. V. zeigen die hohe Zahl freilebender Katzen im Landkreis und belegen den dringenden Handlungsbedarf, um Schmerzen und Leiden der Tiere zu verhindern.
Trotz zahlreicher Kastrationsaktionen und Aufklärungsgespräche mit Katzenhaltern reichen diese Maßnahmen nicht mehr aus, um die Situation dauerhaft zu verbessern.
Eine Katzenschutzverordnung ist daher ein notwendiger nächster Schritt.
II. Voraussetzungen
§ 13b TierSchG verlangt für den Erlass einer Verordnung:
Feststellung einer hohen Population freilebender Katzen,
Dokumentation von Leiden, Schmerzen oder Schäden,
Nachweis, dass diese durch Reduktion der Population verringert werden können.
ATTiS e. V. hat im Vorfeld entsprechende Daten erhoben und dokumentiert.
Dabei wurden u. a. Katzenschnupfen, Parasitenbefall, Unterernährung und Augenerkrankungen häufig festgestellt.
Der Gesetzgeber geht davon aus, dass mit zunehmender Populationsdichte das Tierleid steigt.
Daher muss kein kausaler Nachweis erbracht werden – die reine Anzahl genügt zur Begründung.
Ziel ist es, die Fortpflanzungskette zu unterbrechen. Eine kleinere Population lässt sich besser versorgen, reduziert Konkurrenzdruck und verbessert die Lebensqualität der Tiere.
Wichtig:
Das Verbot des unkontrollierten freien Auslaufs ist verhältnismäßig, da andere Maßnahmen (z. B. freiwillige Kastration oder Aufklärung) in der Vergangenheit nicht ausgereicht haben.
Kennzeichnung und Registrierung sind ebenfalls rechtlich zulässig und nicht unverhältnismäßig.
III. Kosten
Kennzeichnung, Registrierung und Kastration freilaufender Hauskatzen: Kosten trägt die jeweilige Katzenhalterin bzw. der Katzenhalter.
Kastration freilebender Katzen: Wird von Tierschutzvereinen übernommen und ist grundsätzlich förderfähig (z. B. nach FöR-TH).